Aktuelles.

25.01.2013
GESCHäFTSMODELL TRANSPARENZ.
Der digitale Kulturwandel als Katalysator für ein „Ökosystem“ zwischen Kunden und Dienstleistern. Dem Kunden einen vollständigen Einblick in interne Kostenaufstellungen zu geben, klingt nicht nur ungewöhnlich, sondern widerspricht allen gängigen Vorstellungen von freiem Wettbewerb. Über ein solches Beispiel berichten die Heidelberger Autoren und Unternehmensberater Förster & Kreuz auf ihrem Blog und loben es als Beispiel vorbildlicher Transparenz. Winald Kasch, Geschäftsführer der FORTIS IT-Services GmbH, spricht von einem „Ökosystem zwischen Kunden und Dienstleistern“, für das der digitale Kulturwandel einen Katalysator darstellt.

Anja Förster und Peter Kreuz loben den Webshop „Honest by“ des belgischen Designers Bruno Pieters, der Designermode vertreibt und dabei dem Kunden alle verfügbaren Produktinformationen anbietet – von den detaillierten Materialinformationen über Herstellungsdetails und den CO2-Footprint bis hin zur genauen Preiskalkulation. Dies umfasst neben Material-, Transport- und Lohnkosten auch die Gewinnspanne des Unternehmens, einzig die Absatzzahlen würden nicht veröffentlicht. „Da aber alle Stücke limitierte Editionen sind, ist die Höchstverkaufszahl leicht auszumachen“, loben die Autoren: „Mehr Transparenz geht nicht!“ Sie sprechen von Transparenz als „Megatrend in Wirtschaft und Gesellschaft“ und gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie behaupten: „Marken gehören nicht mehr dem Unternehmen, sondern dem Kunden.“ Transparenz als künftige Selbstverständlichkeit Sie begründen diese provokante These mit der Macht von Online-Kommentaren und -Erfahrungsberichten von Konsumenten, die unsere Kaufentscheidungen bereits stärker beeinflussen als die Verkäufer. Mithin  seien es die Kunden, die die Marke gestalteten und ihr Image prägten. In der Folge könnten sich viele Unternehmen einen Großteil der klassischen Werbung sparen. Ein effektives Beziehungsmanagement mit einer wortwörtlich offenen und ehrlichen Haltung würde weit mehr Vertrauen und damit Kundenbindung erzeugen. Andernfalls würden die Kunden über direkte, digitale Wege die erforderliche Transparenz herstellen, mit dem Unterschied: „Transparenz auf Nachfrage erzeugt kein Vertrauen, sondern Verdacht.“ Die praktizierte Transparenz von „Honest by“ ist das gelungene Beispiel einer selbstverständlichen Transparenz, die bereits in naher Zukunft um sich greifen könnte. Die dahinter stehende Erkenntnis ist, dass sich Konsumenten vermehrt zum sogenannten „souveränen Internet-Bürger“ entwickeln. Diese Idee hat auch die Deutsche Bank Research bereits Mitte 2011 in einer Trendstudie zum Thema „Neue Wege zu mehr Transparenz, Beteiligung und Innovation“ bemüht. Darin werden der digitale Kulturwandel, „Corporate Social Media“ und die damit verbundenen Öffnungsprozesse (Open Innovation, Open Innovation, Open Access etc.) als Treiber dieser Entwicklung ausgemacht. Dort heißt es zum Thema neue Wertschöpfungsmuster durch Machtverschiebung: „Der digitale, aber auch kulturelle Strukturwandel unterstützt die Machtverschiebung von Produzent zu Konsument bzw. zu einem verstärkt souveränen (Internet-)Bürger.“ Verfügbarkeit ist eine Frage der Haltung Die Souveränität des Internetbürgers fördert auch bei Dienstleistern wie FORTIS den Drang nach Transparenz und damit der Möglichkeit sich vom Wettbewerb abzuheben. Winald Kasch spricht in diesem Zusammenhang von einer Verstärkung des „Ökosystems von Kunden und Dienstleistern“ und erklärt: „Kundennähe wird in Zukunft nicht dabei enden können, dass wir Kontakt zu Ansprechpartnern auf Kundenseite haben, telefonisch erreichbar sind oder innerhalb von Tagesfrist auf eine Mailanfrage antworten. Wie sehr wir den Menschen auf Kundenseite unsere Motivationen, Zielsetzungen und Herausforderungen transparent machen, ist aber letztlich eher eine Frage der Haltung als eine der technischen Umsetzung.“ Die Trendforscher der Deutschen Bank hingegen haben bei ihrer Branchendarstellung wohlweislich den eigenen Finanzbereich nicht berücksichtigt. Denn dort wird deutlich, wie sich trotz der Nutzung sozialer Medien das so genannte „Next Banking“ als Rohrkrepierer erweist, wenn nicht auch die Technik dafür eingesetzt wird, den Kunden mehr Möglichkeiten der Einflussnahme zu geben, komplexe finanzielle Sachverhalte verständlich zu machen und für mehr Kundenservice auf allen Endgeräten zu sorgen. Als Gründe für die Zurückhaltung der Finanzbranche nennt der Autor der Studie Thomas Dapp, im Handelsblatt große Vorsicht vor allem bei sicherheitskritischen Anwendungen. In Wirklichkeit steckt vermutlich eher die Furcht vor Reputationsverlust dahinter, die jedoch die beschriebenen Mechanismen des digitalen Kulturwandels ignoriert. Im vergangenen September äußerte Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer Transparency Deutschland, im Interview:Die Erwartungen der Konsumenten und Bürger haben sich erheblich erhöht, aber viele Unternehmen haben darauf noch nicht ausreichend reagiert. (…) Nach außen wird Transparenz auch deshalb wichtiger, weil Bewerberinnen und Bewerber dies erwarten. Wer will schon gern in einer verschlossenen Auster arbeiten?“ Winald Kasch sieht diese Erwartungen als berechtigt an, gerade auch in Hinblick auf die Suche nach qualifizierten Fachkräften, die besonders für das Bestehen im IT-Mittelstand überlebenswichtig ist.