Aktuelles.
Buchautorin und Beraterin Svenja Hofert relativiert auf informatik-aktuell.de den universellen Anspruch auf unternehmensinterne Verbesserungen durch agile Führung.
Sie erläutert den Grundsatz von Agilität sich flexibel auf Veränderungen einzustellen und auf diese schnell, etwa mit Innovationen zu reagieren. Ein wichtiges Element dabei ist die Selbstorganisation, schreibt sie. Daran sei nichts Neues, vielmehr seien viele der dahinter stehenden Gedanken bereits mehr als 50 Jahre alt.
„Doch agile Führung ist komplex und vielschichtig. Sie unterstützt Mitarbeiter dabei, schnell und kreativ auf wechselnde Bedürfnisse von Kunden und Märkten zu reagieren. Sie ist deshalb vielmehr ein Mindset, eine Haltung und Denk- und Handlungslogik. Sie nutzt eine offene Toolbox mit Coachingwerkzeugen, die die Zusammenarbeit verbessern, sowie Methoden, mit Komplexität produktiv umzugehen.“
Nicht ohne Humor gibt sie sechs Gründe an, wann Unternehmen besser die Finger davon lassen sollten, agile Führung anzustreben. Diese habe erstens viel mit Kommunikation zu tun. Dazu gehöre auch ein offener Umgang mit Fehlern. Das bedeutet ein Unternehmen sollte bereit sein für reflektierte und mitdenkende Teams. Um mit mitspracheberechtigten und „bevollmächtigten“ Mitarbeitenden zurechtzukommen, seien ein gutes Produkt, eine klare Vision und attraktive Ziele nötig. Zweitens gibt sie zu bedenken, dass hoch motivierte Mitarbeitende sich eventuell nach besseren Arbeitsplätzen umsehen könnten. Daher sollten sich Unternehmen überlegen, warum seine Mitarbeitenden gerne dort beschäftigt sein könnten.
Drittens könnten Mitarbeitende Widersprüche schnell durchschauen. Da agile Führung vor allem durch eine offene Unternehmenskultur getragen wird, sei es immer wieder sehr interessant festzustellen, was davon im Arbeitsalltag umgesetzt werde. Svenja Hofert nennt das „einen schonungslosen Artefakte-Check“: Genügt der Chef-Schreibtisch der geforderten Offenheit? Werden Leitbilder gelebt, sichtbar ausgehängt oder in Schubladen verwahrt? Wie sieht die Parkordnung auf dem Firmenparkplatz aus? Viertens erfordere agile Führung die Bereitschaft sich auf einen Prozess einzulassen, der eine Abkehr vom bisherigen Zielorientierungsdenken darstellt. Die zu erzielenden Verbesserungen lassen sich nicht einfach messen und mit Kennzahlen darstellen. Vielmehr bedeute Agilität gerade sich immer wieder zu fragen: Wo stehen wir? Was geht besser?
Fünftens warnt die Autorin vor einer „Erstverschlechterung“, wie aus der Medizin bekannt. Change-Prozesse könnten üblicherweise zunächst zu Reibung oder Unwohlsein führen. Darunter könne das Betriebsklima leiden. Daher müsse eine solche Ausrichtung und Entwicklung gut überlegt sein. Sie gibt das Beispiel der Amazon-Tochter Zappos an, wo die Absicht eine Holokratie (Herrschaft aller) zu errichten zu einer Kündigungswelle führte. Letztens und sechstens warnt sie Unternehmenschefs, dass sie grundlegend an sich arbeiten müssten:
„Wer agiler werden möchte, muss zunächst seine Haltung, sein Mindset ändern. Agiler zu werden bedeutet auch immer wieder, sich selbst in Frage zu stellen. Das hört sich profan an, ist aber der schwierigste Punkt. Wir Menschen denken immer, wir lägen mit unserer Einstellung richtig. Unsere Selbstbestätigungstendenz führt uns dauernd dazu, eigene Annahmen als wahr zu betrachten.“
Ganz besonders schwer, schließt die Autorin, falle es den Menschen verschiedene Wahrheiten nebeneinander zu akzeptieren („Ambiguitätstoleranz“). Da agiles Denken und Handeln aber „Sowohl-als-auch-Denken und -Handeln“ sei, verlange es genau diese Ambiguität. Daher empfiehlt sie die eigene Denk- und Handlungslogik weiter zu entwickeln, indem wir ihre „Richtigkeit“ grundlegend in Frage stellen: „Es gibt kein richtig und kein falsch, sondern nur ein passend und im Moment sinnvoll.“ Eine Empfehlung, der sich FORTIS nur anschließen kann.