Initiative zur Rettung der Arbeit

Die Philosophin Lisa Herzog hat im Hanser Verlag Berlin das Buch „Die Rettung der Arbeit. Ein politischer Aufruf“ veröffentlicht. Darin macht sie sich für einen gezielten Umbruch in der Arbeitswelt stark und formuliert den Begriff der „guten Arbeit“. Knut Cordsen hat im Bayerischen Rundfunk online ein Interview mit ihr geführt.

In Zeiten der digitalen Transformation wandeln sich Arbeitsfelder permanent, viele Menschen empfinden ihr Arbeitsverhältnis als unangemessen oder sogar als ungerecht. Demgegenüber betont die 35-jährige Lisa Herzog, Professorin für politische Philosophie und Theorie an der TU München, die „integrative Kraft“ der Arbeit und betrachtet Arbeit als „sozialen Kitt der Gesellschaft“. Gegenüber einer empfundenen Fremdbestimmung in der beruflichen Situation führt sie Fragen an, wer über Arbeitsumstände bestimmen kann, und wie wir zusammenarbeiten wollen, vor allem unter der Annahme, dass wir in einer Demokratie leben und durch eine sinnvolle Betätigung auch ein gutes Auskommen erwerben möchten.

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Lisa Herzog beschreibt dabei eine Ausgangslage, die durch eine aktuelle Disruption gekennzeichnet ist, also anhaltende Veränderungen, die durch digitale Technologien auf uns zukommen. Ein permanenter Wandel des Arbeitsmarkts führt die traditionelle Vorstellung eines einmal ausgewählten Berufs, den wir ein Leben lang ausüben, ad absurdum. Neben der Forderung nach lebenslangem Lernen steht der demografische Wandel, der eine längere Lebensarbeitszeit mit sich bringt.

Demokratische Mitbestimmung stärken

Gleichzeitig sind jedoch die bürokratischen Strukturen, vor allem das Sozialversicherungssystem, an ehemals „normalen“ Arbeitsverhältnissen ausgerichtet. Für die Zukunft besteht der Philosophin zufolge die Gestaltungsherausforderung darin, eine immer stärkere Spaltung zwischen Beschäftigungsschichten in der Bevölkerung zu vermeiden. Auch dazu appelliert sie an die Grundprinzipien der Demokratie, gemeinsam über künftig gewollte und gesellschaftlich akzeptierte Formen der Beschäftigung zu entscheiden. Dabei thematisiert sie auch die Bedeutung der Machtverhältnisse zwischen internationalen Firmen und der deutschen und europäischen Politik. Unter diesen Voraussetzungen sei auch der nachfolgende Leitsatz zu betrachten:

„Was die Arbeit mit uns macht, hängt maßgeblich davon ab, was wir mit der Arbeit machen.“

In diesem Zusammenhang spricht Lisa Herzog davon, dass wir uns politisch die kollektive Fähigkeit wieder aneignen müssten, gemeinsam über die Zukunft Arbeit zu entscheiden.

„Insofern ist dieser Satz nicht individuell gemeint, sondern auf der politischen gemeinschaftlichen Ebene. Und da, denke ich, sind wir letztlich auch nicht so machtlos, wie man das manchmal vielleicht denken könnte. Die EU zeigt ja immer wieder, dass sie sich großen Firmen in den Weg stellen kann.“

Gute Arbeit ist sinnstiftend

Zur Verdeutlichung der Bedeutung von Beschäftigung führt sie den Begriff der „guten Arbeit“ ein. Auch wenn sich die Bewertung subjektiv stark unterscheiden kann, so werde „gute Arbeit“ in jedem Fall doch als sinnstiftend betrachtet. Daneben spielt auch soziale Anerkennung für wertvolle Tätigkeiten eine Rolle. Allerdings wirft sie dazu die nächste Frage auf: Wird weitgehend jeder/m ermöglicht, Zugang zu der für sie oder ihn als gut empfundenen Arbeit zu erlangen?

Zugleich wendet sie sich gegen die Glorifizierung Einzelner, ihnen einen Status als „Held*in der Arbeit“ zuzuschreiben, als hätten diese Menschen etwas erreicht, was andere nie erreichen könnten:

„Wenn man in die Geschichte der technischen, wissenschaftlichen Innovationen schaut, dann ist es ganz oft so, dass die gleichen Ideen von mehreren Individuen entdeckt und dann auch umgesetzt werden. Aber die öffentliche Wahrnehmung ist oft so, dass sich alles auf eine Person fokussiert.“

Zudem stünden auch die Einzelpersonen immer in einem sozialen Kontext, mit vielen Menschen um sich herum, die ihnen ermöglicht hätten, das zu tun, was sie dann tun konnten. Die Frage, ob Einzelne überragende Erfolge aus einer moralischen Perspektive heraus verdient hätten, sei nicht ganz angemessen. Gegenüber einem oft überbewerteten Talent oder einer starken Willenskraft spiele häufig auch das Glück eine entscheidende Rolle.

In Bezug auf die Arbeitseinstellung heißt es zuletzt, dass eine Reduktion der Arbeit auf nur noch 15 Stunden die Woche nicht das Ziel sein könne. Der Ökonom John Maynard Keynes hatte das in Bezug auf die Enkelkinder seiner Zuhörer prophezeit. Allerdings sei anzuzweifeln, ob Menschen tatsächlich nur 15 Stunden die Woche arbeiten wollten, wenn sie ihre Tätigkeit als sinnstiftend empfinden.

Denn auch das Führen eines Haushalts, häusliche Pflege oder ehrenamtliche Tätigkeiten seine Arbeit. Allerdings finde heute gerade für hoch engagierte Menschen eine oft fast nicht zumutbare Arbeitsverdichtung statt, während andere womöglich gar nicht mehr arbeiten müssten oder wollten. Daher plädiert sie abschließend erneut an die gesamtgesellschaftliche Verantwortung zur politischen Gestaltung, die in Summe erzielten Gewinne gerecht auf alle produktiven Menschen zu verteilen.

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