Wie agiles Arbeiten funktioniert – und wie nicht

Agiles Arbeiten ist in aller Munde. Doch wenn Großunternehmen von schnellen Iterationen und einer neuen Teamstruktur sowie von Scrum und Sprints sprechen, herrschen oft Missverständnisse vor. Simon Tischer hat auf munich-startup.de mit den beiden Softwareentwicklern Christian Kroemer und Tobias Hingerl über den Sinn und die Grenzen des Einsatzes agiler Methoden gesprochen.

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Laut ITK-Branchenverband Bitkom hat bereits mehr als jedes zweite Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern mit agilen Methoden gearbeitet. Den Zahlen aus dem vergangenen Herbst zufolge haben 79 Prozent der befragten Firmen dabei auf Scrum gesetzt. Häufig würden Unternehmen jedoch Agile mit Scrum gleichsetzen, berichtet Tobias Hingerl. Scrum ist jedoch nur eines von vielen möglichen Frameworks und damit eine von vielen agilen Vorgehensweisen. Christian Kroemer ergänzt, dass Agile als Mindset zu verstehen ist, das stark auf Lernen setzt. Dabei sei es immer sinnvoll Punkte zur Reflektion einzubauen:

„Agile macht deshalb eigentlich überall Sinn, wo mehr als zwei Personen zusammenarbeiten. Zumindest auf der zwischenmenschlichen Ebene kann man immer etwas verbessern.“

Als Grundlage des agilen Vorgehens bezeichnet Hingerl, seine Arbeit ständig zu hinterfragen. Allerdings eigne sich diese Herangehensweise für Start-Ups meist besser als für große Unternehmen. Um am Markt zu überleben, so Kroemer, sei es nötig, in möglichst kurzen Iterationen und Lernschleifen zu arbeiten. Im Unterschied zum Lean Startup, wo es darum geht sich möglichst nur auf das wirklich Wertstiftende zu konzentrieren, sieht er als Kern des Agilen schnell dazuzulernen.

So wie im Agilen Manifest ein funktionierendes Produkt einer sehr ausführlichen Dokumentation vorgezogen wird, gestatte ein Produkt zudem auch es als rudimentären Prototypen anderen zeigen und Feedback einholen zu können. Tobias Hingerl ergänzt, dass Agile noch mehr bedeute als iterativ zu arbeiten, nämlich das Weglassen eher hinderlicher Overhead-Prozesse. Wenn es jedoch kein komplexes und adaptives Produkt zu entwickeln gelte, sei weder Scrum noch vielleicht überhaupt eine agile Methode notwendig, führt er weiter aus.

Anschließend kommen die beiden Entwickler auf Rollen in Scrum-Teams zu sprechen, die vor allem selbstorganisiert und cross-funktional sein sollten. Während der Product Owner häufig vom Kunden gestellt werde und die Idee hinter dem Produkt und das Budget verantworte, sei die Rolle des Scrum Master eher unterstützend und coachend, um das Team zum kontinuierlichen Lernen und Sich-Verbessern anzuhalten. Dazu habe jeder Scrum Master über mehrere Jahre Erfahrung seinen eigenen Stil zu finden.

Daraufhin werden auch Fragen nach der Weisungsbefugnis im Scrum-Team beantwortet. So zeuge es von falschem Verständnis, wenn Unternehmen, die aus klassischen Strukturen kommen, den bisherigen Teamleiter zum Scrum Master und den Abteilungsleiter zum Product Owner machten. Christian Krömer geht noch einen Schritt weiter und stellt fest:

„Wichtig ist nur, dass die Entscheidung aus dem Team herauskommt und nicht vom Vorgesetzten. Das Team muss aber auch in der Lage sein, dem Entwickler zu sagen, wenn er nicht mehr der Richtige dafür ist.“

Weiter werden Formen von Review-Runden bei Scrum behandelt, die nach einem Sprint stattfinden, meist im Format eines Review-Meetings oder einer Retrospektive. Beim Review-Meeting wird ein Produkt daraufhin untersucht, inwieweit es bereits allen Erwartungen entspricht. Die Retrospektive wird dagegen als teaminterne Feedback-Schleife bezeichnet, wie Dinge umgesetzt werden sollen, üblicherweise moderiert vom Scrum Master.

Als entscheidende Vorteile von agilem Arbeiten werden die Anpassungsfähigkeit, das frühere Feedback und dadurch die Verbesserung der Ergebnisse genannt. Daneben fühlten sich viele Mitarbeitende in agilen Teams deutlich wohler. Zwar gebe es Kunden, so Krömer, mit denen agiles Arbeiten keinen Sinn ergebe. Doch Tobias Hingerl konstatiert, dass bei vielen Unternehmen bereits ein Umdenken stattgefunden habe:

„Ich kenne nicht mehr viele Kunden, die sagen: Kommt in einem Jahr wieder und zeigt mir das Ergebnis. Die Leute sehen ja selbst, dass das nicht funktioniert.“

Zuletzt wird bei der Frage, ob es wichtig sei, dass Scrum genau wie vorgegeben umgesetzt werde, betont, dass das eigentlich egal sei. Wenn eine andere agile Arbeitsweise besser funktioniere: Umso besser! Wichtig sei nur, dass die Bezeichnung stimme und Klarheit darüber herrsche, wie vorgegangen werde. Unabhängig davon, wie das Vorgehen heißt, hält Christian Kroemer als wichtigste Leitlinie fest: Es ist wichtig, Dinge explizit zu machen und sie kontinuierlich zu verbessern. &sj_s

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